„Höhere Löhne bedeuten auch höhere Preise“, rechnet Frank Tischner als Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf vor. Und das nicht etwa, weil die Beschäftigten im Handwerk aktuell zum Mindestlohn arbeiteten. „Direkte Auswirkungen hat eine Erhöhung des Mindestlohns nur für die wenigsten Betriebe“, weiß Tischner und nennt als Beispiel die Bäckerei mit angeschlossenem Café-Betrieb, in dem auch Aushilfen die Gäste bedienen. „Wie in vielen anderen Wirtschaftszweigen auch sind die Aushilfen oftmals in einem Minijob beschäftigt und bekommen den Mindestlohn.“ Werde dieser nun deutlich erhöht – bei den aktuell in Berlin diskutierten 15 Euro pro Stunde wären es rund 17 Prozent – hat das naturgemäß Auswirkungen auf das Lohngefüge im Unternehmen. „Eine Bedienung im Café, die nach Tarifvertrag 2025 rund 7,7 Prozent über Mindestlohn verdient, läge plötzlich unter Mindestlohnniveau“, machen Klaus Schröer und Karl-Heinz Teeke deutlich. Weitere Lohnanpassungen im Unternehmen sind die zwangsläufige Folge – und damit auch deutliche und unausweichliche Preissteigerungen für die Kunden. „Bei einem Brötchen könnte das etwa fünf Cent ausmachen“, kalkulieren der Obermeister der Bäcker- und Konditoreninnung Steinfurt und Warendorf und sein Stellvertreter, „bei einem Brot rund 50 Cent, bei einem Stück Kuchen 20 bis 30 Cent.“ Verbunden mit solchen Preissteigerungen wäre die Sorge vieler handwerklicher Bäcker, noch mehr Kunden an die Backshops von Discountern zu verlieren, die mit in industriell hergestellten Massenprodukten viel günstiger kalkulieren können als der Handwerksbäcker vor Ort.
Eine Alternative zum höheren Mindestlohn kann nach Tischners Auffassung eine höhere Freigrenze bei der Lohnsteuer sein. „Wenn man ein monatliches Einkommen von 2000 Euro komplett von der Lohnsteuer befreien würde, hätten Bezieher niedriger Einkommen tatsächlich mehr Geld in der Tasche.“ Und ganz nebenbei würden beispielsweise für Minijobber Anreize gesetzt, die eigene Stundenzahl über die Minijob-Grenze hinaus zu erhöhen und die Fachkräfte-Situation zu entschärfen. Übrigens: Aktuell werden bei einem Jahreseinkommen von 24.000 Euro für einen Single ohne Kind laut eines Online-Rechners des Finanzministeriums rund 2.600 Euro Einkommensteuer fällig.
Eine politisch beschlossene Erhöhung des Mindestlohns sieht Tischner aber auch aus einem anderen Grund kritisch: „Die Tarifautonomie von Arbeitgebern und Arbeitnehmern hat sich über Jahrzehnte bewährt.“ Einen Eingriff seitens der Politik bewertet er als reine Showmaßnahme: „Man sollte lieber an den hohen Sozialabgaben arbeiten und hier seiner Verantwortung nachkommen. Diese liegen mittlerweile bei 42.5% und treiben nicht nur die Kosten und somit die Inflation in die Höhe, sondern sie gefährden auch die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands“, so Tischner.