Angriff auf die Wettbewerbsfähigkeit

Sorge um Zukunft des Meisterbriefes

Die Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf sorgt sich um die Zukunft des Meisterbriefes. Anlass dazu gibt ein Vorstoß der EU-Kommission, den Meisterbrief als Zugangsvoraussetzung zur Betriebsführung im Handwerk auf den Prüfstand zu stellen. KH-Hauptgeschäftsführer Frank Tischner schlägt Alarm: „Die Abschaffung des Meisterbriefes bedeutet eine Schwächung des dualen Berufsausbildungssystems und ist damit ein Angriff auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.“

Unterstützung bekommt die KH aus Düsseldorf. So hat der nordrhein-westfälische Landtag Ende November 2013 mit den Stimmen von SPD, Grünen, CDU und FDP einen gemeinsamen Antrag verabschiedet. Ziel: „Den Meisterbrief als Grundlage der dualen Ausbildung sowie als Qualitätssiegel des Handwerks zu schützen.“ Die EU-Kommission hatte empfohlen, zur Steigerung des inländischen Wettbewerbs zu prüfen, ob sich die Ziele des Meisterbriefes nicht auch durch weniger strikte Reglementierungen erreichen ließen. Dazu hat die EU einen Arbeitsplan für ein entsprechendes Evaluierungsverfahren beschlossen.

Tischner sieht in dem EU-Vorstoß eine Gefahr für Verbraucher und die mehr rund 6.400 Betrieben des Handwerks in den Kreisen Steinfurt und Warendorf  gleichermaßen. Zudem befürchtet er fatale Folgen für die Ausbildung im deutschen Handwerk: „Die Qualifikation des Ausbilders korrespondiert zu der Ausbildungsfähigkeit und -bereitschaft eines Unternehmens. Dort, wo der große Befähigungsnachweis nicht mehr notwendig ist, sind die Ausbildungszahlen deutlich nach unten gegangen“, moniert Tischner. Durch den Wegfall der Zulassungspflicht seien in den entsprechenden Handwerken viele Kleinstbetriebe entstanden, die das Know-how eines Handwerks nicht mehr weitergeben oder es auch gar nicht könnten. Solche Kleinstbetriebe sorgten für einen Verdrängungswettbewerb zu Lasten der Betriebe mit hohem Qualifikationsstand und Ausbildung, die mit einer anderen Kostenstruktur arbeiteten.

Paul Laukötter, stellvertretender Kreishandwerksmeister und selbstständiger Maler- und Lackierer-Meister in Rheine führt als Beispiel das Fliesenleger-Handwerk an. „Wir hatten nach dem Wegfall der Meisterpflicht eine explosionsartige Entwicklung von Ein-Mann-Betrieben: Selbstständige, die zu Hungerlöhnen arbeiten und sich langfristig nicht am Markt behaupten können.“ Auch Tischlermeister Heinz-Bernd Lohmann aus Everswinkel, der nicht nur Unternehmer ist, sondern auch als Innungsobermeister amtiert, ist überzeugt, dass auch ein erfahrener Geselle den Meister im Handwerksbetrieb nicht ersetzen könne. „Meister – das ist ein Allround-Job: Er pflegt den Umgang mit Kunden, Mitarbeitern, betreibt Marketing, muss Abläufe planen und koordinieren und kümmert sich um die betriebswirtschaftliche Seite. Ohne die nötigen betriebswirtschaftlichen Kenntnisse, kann sich niemand langfristig am Markt halten“, davon sind Laukötter und Lohmann überzeugt.

Recht und Betriebswirtschaft, Ausbildung und Personalführung – all diese Themen gehören zur Qualifizierung zum Meister, betont KH-Hauptgeschäftsführer Tischner. Der Erfolg gebe dem Meisterbrief Recht. „Nachweisbar sind Existenzgründungen im Handwerk erfolgreicher als in anderen Bereichen.“

 

Zum Thema:

Zulassungspflichtige Handwerke Aktuell gelten 41 Handwerke in Deutschland als zulassungspflichtig. Das bedeutet, dass eine Eintragung in die Handwerksrolle aufgrund einer Meisterprüfung oder einer anerkannten vergleichbaren Qualifikation erforderlich ist. Seit der Novellierung der Handwerksordnung vom 1. Januar 2004 werden 53 bisher zulassungspflichtige Handwerke als zulassungsfrei in die Anlage B Abschnitt 1 aufgenommen. In diesen sogenannten B1-Handwerken kann der Meisterbrief freiwillig erworben werden. Als Kriterien für die Zulassungspflicht gelten die Gefahrengeneigtheit und die Ausbildungsleistung des betreffenden Handwerks.

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Materialien auswählen, Einkauf, Abläufe planen und koordinieren – das alles sind nach Ansicht von Paul Laukötter, stellvertretender Kreishandwerksmeister, Qualifikationen, die nur ein Meister beherrscht.
Tischlermeister und Unternehmer Heinz-Bernd Lohmann (re.) bespricht ein Projekt mit Mitarbeiter Andreas Vilbusch. Als Arbeitgeber und Ausbilder werden von selbständigen Handwerksmeistern mehr als nur fachliche Qualitäten verlangt.
KH-Hauptgeschäftsführer Frank Tischner sieht in dem EU-Vorstoß eine große Gefahr für die Ausbildung im Handwerk.