Bürokratie beschäftigt Handwerk

Die Auftragslage der Handwerkswirtschaft in den Kreisen Steinfurt und Warendorf ist zufriedenstellend, viele Materialpreise haben sich deutlich entspannt, doch die Stimmung ist mittelmäßig. Denn Bürokratie, Verunsicherung durch die Politik sowie die unveränderte Fachkräftesituation belasten die heimischen Betriebe auch im Jahr 2024. Die Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf fordert verbesserte Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln im Handwerk.

Eine Umfrage der Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf unter ihren Mitgliedsunternehmen ergab, dass Bürokratie eine der größten Sorgen für das Jahr 2024 sei. Auch die Attraktivität einer Selbstständigkeit im Handwerk leide mit Blick auf die damit einhergehende Bürokratiebelastung stark.

„Es wird nicht weniger, sondern in allen Bereichen mehr“, bringt Frank Tischner, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf die aktuelle Situation der heimischen Handwerkswirtschaft auf den Punkt. Die Summe an Gesetzen, Verordnungen, Auflagen, Gebühren und Verboten überlaste die heimischen Betriebe und damit den Mittelstand in der Region. „Bürokratieabbau ist die günstigste Form der Wirtschaftsförderung und wir haben dringenden Handlungsbedarf“, so Tischner. Einhergehen müsse der Bürokratieabbau mit dem ebenfalls gefragten Mentalitätswandel, der den Unternehmen wieder mehr Vertrauen entgegenbringt, statt sie mit immer neuen Dokumentationspflichten zu beschäftigen.

Die Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf unterstützt ihre Mitgliedsbetriebe mit Rat und Tat. So wurde u. a. zur Umsetzung des Hinweisgeberschutzsystems als neuer Service eine interne Meldestelle für Unternehmen eingerichtet. Doch die Folgen der unklaren Kommunikation durch die Politik, die auch die sachgerechte Beratung der Unternehmen erschwert, werden am Beispiel „Heizungsgesetz“ deutlich: Erstmals seit den 1990er Jahren wurden im vergangenen Jahr wieder 1 Mio. Heizungen verkauft – allerdings mit 694.000 Gas- und 94.500 Ölheizungen viele davon fossil.

Mit Blick auf die Fachkräftesituation bleibt die Zahl der neuen Auszubildenden in beiden Kreisen konstant, allerdings auf einem niedrigen Niveau. Auch im Jahr 2024 will die Kreishandwerkerschaft mit etwas anderen Aktionen Aufmerksamkeit auf das Handwerk lenken. Neu sind, neben den bekannten Praktika zur Berufsorientierung, in diesem Jahr Ferienjobs, die auf der Webseite www.ausbildung-handwerk.net mit angeboten werden. Sie sind für Schülerinnen und Schüler ebenso wichtig wie für Handwerksunternehmen und tragen frühzeitig dazu bei, spätere Ausbildungsabbrüche aufgrund falscher Erwartungen zu vermeiden. So baut die Youth Craft Factory im Sinne des nachhaltigen Upcyclings nach ihren erfolgreichen Eichhörnchen-Bänken und Skatebordhockern in diesem Jahr Beistelltische aus alten Weinflaschen.

„Wir wollen nicht nur Berufsanfänger für das Handwerk begeistern, sondern setzen mit unserer Handpuppe Jonas schon im Kindergartenalter an. Mit Touren durchs Handwerk bieten wir langzeitarbeitslosen Kunden der Jobcenter in den Kreisen Steinfurt und Warendorf die Möglichkeit, Handwerksbetriebe zu besichtigen und für sich selbst konkrete Perspektiven im Handwerk zu entdecken“, betont Tischner. Auch die Betriebsübergabe und Nachfolgersuche behält die Kreishandwerkerschaft im Fokus. Schließlich sind im Kreis Steinfurt 63 Prozent der Betriebsinhaber über 55 Jahre. Im Kreis Warendorf sind es 65 Prozent. Im vergangenen Jahr gab es im Kreis Steinfurt 15 Betriebsübernahmen, im Kreis Warendorf gerade einmal neun.

Ein neuer Schwerpunkt wird sich dem Thema Inklusion widmen, um zu zeigen, dass auch Menschen mit Beeinträchtigungen ihren Platz im Handwerk finden. Für die internationalen Projekte der Kreishandwerkerschaft wurde mit Katja Lommentz eine neue Langzeitexpertin für die Berufsbildungspartnerschaft in Südafrika gewonnen. Dort, sowie in Mosambik und Jordanien, engagiert sich die Kreishandwerkerschaft, um erfolgreiche Elemente des dualen Ausbildungssystems, angepasst an die Wirtschaft vor Ort, zu implementieren. Mit einem großen Vertrauensvorschuss und möglichst wenig Bürokratie.

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Mehr Vertrauen (nicht nur) in die heimische Handwerkswirtschaft wünschen sich v.l. Reinhard Kipp, Günter Schrade, Jan-Philipp Schiffer, Frank Tischner und zahlreiche Unternehmen in den Kreisen Steinfurt und Warendorf.
Der überbordenden Bürokratie sagt die Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf mit v.l. Günter Schrade, Reinhard Kipp, Jan-Philipp Schiffer und Frank Tischner den Kampf an.