Bürokratieabbau als Wachstumsimpuls nutzen

4,6 Prozent Wirtschaftswachstum: Was Deutschland zuletzt im Zuge der Wiedervereinigung in den 1990er Jahren erlebte, könnte schon bald wieder Realität sein. Voraussetzung dafür ist allerdings ein umfassender Bürokratieabbau, wie eine Studie des ifo-Instituts jetzt ermittelt hat.

Frank Tischner verhehlt nicht, die Studie mit ein wenig Genugtuung gelesen zu haben. „Wir fordern seit Jahren einen umfassenden Bürokratieabbau in Deutschland und hatten leider oft das Gefühl, dass die Politik uns nicht zuhört“, blickt der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf zurück. „Ich hätte allerdings nicht vermutet, dass der volkswirtschaftliche Effekt eines umfassenden Bürokratieabbaus so groß ist.“ Wenn man die 4,6 Prozent mit dem von den Wirtschaftsweisen für 2025 prognostizierten Wachstum von 0,4 Prozent vergleicht, zeige das umso deutlicher, wie überaus hilfreich ein ernsthaft angegangener Bürokratieabbau sein könne. „Auch deshalb ist es frustrierend, dass die Gespräche mit der Politik auf allen Ebenen dazu seit Jahren ergebnislos verlaufen.“ Denn mit dem aktuellen Jahresgutachten des Sachverständigenrates habe man einmal mehr ein besorgniserregendes Zeugnis zum Zustand Deutschlands und der massiven Defizite am Standort erhalten.

Genau wie der Sachverständigenrat sieht Tischner die nächste Bundesregierung in der Verantwortung, die Modernisierung Deutschlands entschlossen voranzutreiben, um so wirtschaftliches Potential zu heben und die Akteure vor Ort wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Ein erster Schritt hierzu könnte ein Digitalisierungsschub für die öffentliche Verwaltung sein, regt Tischner an: „Legt man die ifo-Studienergebnisse zu Grunde, kann allein das bei unverändertem bürokratischem Aufwand ein Wachstum von 2,7 Prozent auslösen.“ Hierbei lohne gerade der Blick in die skandinavischen Länder, ist Tischner mit Blick auf die ifo-Ergebnisse überzeugt: „Die Anmeldung von Immobilieneigentum ist hierzulande mit sechs bürokratischen Vorgängen und einem Zeitaufwand von 52 Stunden verbunden. Schweden kommt mit einem Vorgang und sieben Stunden aus.“

Dabei verhehlt der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft nicht, dass es in den vergangenen Monaten durchaus politische Erfolge im Kampf gegeben hat und nennt neben dem Bürokratieentlastungsgesetz IV die unlängst beschlossene Bürokratieentlastungsverordnung mit 32 Rechtsänderungen. „Das sind genau wie die Verkürzung von Aufbewahrungsfristen ein erster und nett gemeinter Versuch. Der große Wurf zu einem ernsthaften und ehrlich gemeinten Abbau von Bürokratie ist es nicht.“ Wenn Wirtschaftsminister Habeck beim Unternehmertag des Außenhandelsverbandes davon spreche, dass man Unternehmern mehr Eigenverantwortung zutrauen müsse, anstatt auf immer neue Berichtspflichten zu setzen, sei das der richtige Ansatz. „Aber es passiert nichts außer schönen Sonntagsreden“, bedauert Tischner. „Hier muss eine nächste Bundesregierung dringend handeln – auch zum Wohle der Betriebe im Kreis Warendorf und ihrer Beschäftigten.“ Aus Sicht des Handwerks werden sowohl Leistungsanreize als auch strukturelle Reformen etwa im Bereich Sozialversicherung oder Steuern gebraucht, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Wachstumskräfte zu entfachen. „Die Handlungsfelder sind hinlänglich bekannt und benannt: Geringere Energiekosten und Steuern, weniger Bürokratie, mehr gut ausgebildete Fachkräfte. Das Jahresgutachten des Sachverständigenrats liefert hierzu Handlungsimpulse und Ansatzpunkte für notwendige Reformen. Stillstand und ein „weiter so“ können wir uns nicht mehr leisten.“

Bis zum Amtsantritt einer neuen Regierung werde in Sachen Bürokratieabbau wahrscheinlich noch weniger passieren als bisher, befürchtet Tischner. „Hier sind die Parteien aufgefordert, sich schon jetzt Gedanken zu machen, welche Sofortmaßnahmen nach einer möglichen Regierungsübernahme umgesetzt werden können, um der Wirtschaft wichtige Wachstumsimpulse zu geben“, fordert der Hauptgeschäftsführer. „Solche Konzepte müssen auch ein Schwerpunkt im Wahlkampf sein.“ Zudem gelte es, überparteilich ein monatelanges politisches Entscheidungs-Vakuum in Berlin zu verhindern. „Unsicherheit ist Gift für die wirtschaftliche Aktivität, nicht nur im Handwerk. Unternehmen und Handwerksbetriebe halten Investitionen zurück, wenn sie nicht wissen, wie es weitergeht.“

Eine sprunghafte Konjunkturbelebung allerdings wird der überfällige Bürokratieabbau nicht mit sich bringen, warnt Tischner vor überzogenen Erwartungen. Oder, wie es das ifo-Institut formuliert: „Reformen zum Abbau der Bürokratie werden ihre positive Wirkung nicht unmittelbar, sondern erst im Lauf der Zeit entfalten.“

 

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Frank Tischner setzt darauf, dass die nächste Bundesregierung den längst überfälligen Bürokratieabbau als Wachstumsimpuls für den Standort Deutschland und auch die heimische Handwerkswirtschaft begreift.