Die landesweiten Berufsfelderkundungen von Schülern sind ein Baustein im Programm „Kein Abschluss ohne Anschluss“, kurz KAoA, des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales NRW. Ziel ist es, Übergänge von Schule ins Berufsleben für möglichst alle Schüler zu ermöglichen. Als ein Kooperationspartner beteiligt sich auch die Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf mit ihren Mitgliedsbetrieben an dem Programm. So haben sich auch Handwerksbetriebe aus den Kreisen Steinfurt und Warendorf im Rahmen der Berufsfelderkundungen auf der Internet-Plattform www.kaoa-praxis.de angemeldet und ermöglichen in diesen Wochen Schnuppertage für Achtklässler in ihren Werkstätten und Produktionshallen.
„Die Berufsfelderkundung ist eine echte Chance für Nachwuchskräfte“, sagt Frank Tischner, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf. Das gilt für Schüler wie für Unternehmen gleichermaßen: Für die Schüler, die ganz unverbindlich in Berufsfelder ihrer Wahl hineinschnuppern und potentielle Ausbildungsbetriebe kennenlernen, und für Handwerksbetriebe, die erste Kontakte zum etwaigen Berufsnachwuchs knüpfen. „Wir appellieren immer wieder an unsere Mitgliedsbetriebe, diese Chance der Nachwuchsgewinnung wahrzunehmen“, so Frank Tischner.
Kreis Steinfurt
Schweißt zusammen: Schnuppertag beim Metallbaubetrieb Ventker
Ein Schweißgerät hat Tim Spellbrink noch nie in der Hand gehabt – bis er in dieser Woche einen Schnuppertag im Metallbaubetrieb Ventker in Tecklenburg-Brochterbeck absolviert hat. Kaum zwei Stunden im Betrieb, durfte der 14-Jährige schon unter Anleitung seine erste Schweißnaht ausprobieren. Der Realschüler aus Ibbenbüren ist einer der vielen hundert Jugendlichen, die in dieser Woche an den sogenannten Berufsfelderkundungen im Kreis Steinfurt teilnehmen. Noch bis Freitag ermöglichen zahlreiche Unternehmen im Kreis, darunter viele Handwerksbetriebe, Schnuppertage für Achtklässler
Die Firma Ventker Metallbau folgt dem Appell der Kreishandwerkerschaft gern. „Wir wollen Interesse wecken und junge Menschen für eine Ausbildung bei uns interessieren“, nennt Marita Ventker die Motive der Geschäftsführung, Plätze für die Berufsfelderkundung zur Verfügung zu stellen. Dafür nimmt der Betrieb einigen Aufwand in Kauf. „So eine Berufsfelderkundung bindet viel Zeit: Die jungen Menschen werden durch den Betrieb geführt, die Mitarbeiter müssen sich Zeit nehmen und vieles erklären“, sagt Marita Ventker. Sie wünscht sich deshalb, dass die Schüler schon echtes Interesse an der Branche haben sollten, wenn sie in einen Betrieb gehen.
Für Tim Spellkamp ist das Ehrensache. „Ich möchte später im Handwerk arbeiten, gerne im Metallbau“, sagt der Achtklässler. Für ihn ging es während der Berufsfelderkundung ganz schnell ans Eingemachte. Schweißproben, Sägen, Zuschneiden, Feilen – all diese Tätigkeiten durfte der 14-Jährige während seiner Berufsfelderkundung ausprobieren
Kreis Warendorf
Baut auf: Warum auch Gymnasiasten ins Bau-Handwerk hineinschnuppern sollten
Für einen Tag von der Schulbank auf die Baustelle: Das war für den vierzehnjährigen Gymnasiasten Tristan Asche aus Beelen kein Problem. Beim zweiten Durchgang der Berufsfelderkundungen für die Schülerinnen und Schüler der 8. Klassen im Kreis Warendorf hatte er sich ganz bewusst für das Ein-Tage-Praktikum bei der Bauunternehmung Growe Hagemeier in Beelen entschieden und konnte auf der Baustelle eines Zweifamilienhauses in Warendorf Bau-Handwerk live miterleben. Der körperliche Einsatz, der im Maurer-Beruf verlangt wird, und die Arbeit im Freien, wo man auch mal schon schlechtem Wetter ausgesetzt ist, stören den sportlichen Schüler nicht, im Gegenteil.
Dass gerade ein Schüler des Gymnasiums den Tag der Berufsfelderkundung, der im landesweiten Programm „KAoA – Kein Abschluss ohne Anschluss“ für alle allgemeinbildenden Schulen durchgeführt wird, für das Hineinschnuppern in das Bau-Handwerk ausgesucht hat, findet Firmeninhaber Martin Hagemeier gar nicht so besonders. „Wer Bau-Ingenieur werden will, dem ist vor dem Studium dringend eine fundierte Berufsausbildung im Bauhandwerk angeraten“, erklärt er. Überhaupt findet er die Stärke des Bau-Handwerks, dass hier jeder nach seinen Fähigkeiten und Talenten seine berufliche Chance nutzen kann.
Trotzdem hat die Bauunternehmung Growe Hagemeier ebenso wie viele andere Bauunternehmungen im Kreisgebiet Probleme, geeigneten und leistungsstarken Berufsnachwuchs zu finden. Das berichtet Martin Hagemeier, der als Obermeister der Bau-Innung Warendorf durch Gespräche mit Kollegen von der Problematik weiß. Noch findet Martin Hagemeier Auszubildende für sein Unternehmen, aber „man muss sich intensiv darum kümmern“, so Hagemeier. Dazu gehört neben der Mitwirkung am Girls‘ und Boys‘ Day oder die Bereitstellung von Schüler-Praktikumsstellen nun auch die Teilnahme an der eintägigen Berufsfelderkundung für die Achtklässler.
Die Praxis vor Ort gibt den Jugendlichen die Möglichkeit, Berufe kennenzulernen, die bisher gar nicht in ihrem Fokus waren, und so manche Vorurteile und Vorbehalte abzubauen. „Alle Schüler, die bei uns waren, haben mit viel Spaß das Bau-Handwerk kennengelernt“, zeigt sich Martin Hagemeier bestätigt, dass Berufsorientierung ganz praktisch angegangen werden muss.
Martin Hagemeier zieht ein positives Fazit der ersten Berufsfelderkundung, an der seine Bauunternehmung teilgenommen hat. „Wir hätten gerne auch schon beim ersten Mal im Februar mitgemacht, aber im Winter ist dies für Handwerksunternehmen aus der Baubranche, deren ‚Werkstatt“ die Baustelle ist, nicht möglich“, spricht Ehefrau Petra Hagemeier einen aus ihrer Sicht verbesserungswürdigen Punkt der Berufsfelderkundung an.
Der Aufwand für die Handwerksunternehmen, in der Regel kleinere Betriebe, ist bei der Berufsfelderkundung zu berücksichtigen. „Da muss unser Team auch mitziehen, und der Aspekt der Sicherheit ist bei Schülern auf einer Baustelle ebenfalls nicht unerheblich“, erklärt Martin Hagemeier. Aber wenn man dann einem Azubi in spe wie Tristan Asche das Bauhandwerk näher bringen kann, dann ist dies alle Mühe wert.