Dem Handwerk in den Kreisen Steinfurt und Warendorf geht es gut. Das bundesweite Umsatzplus von 3,5 Prozent im Jahr 2016 kommt auch in der hiesigen Region an. Stärkster Wachstumstreiber der Handwerkskonjunktur ist das Baugewerbe. Dennoch stehen die Unternehmen angesichts von zunehmendem Kostendruck, staatlichen Reglementierungen und Nachwuchssorgen vor großen Herausforderungen. Dieses Fazit zogen die Verantwortlichen der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf während des Jahrespressegesprächs. KH-Hauptgeschäftsführer Frank Tischner warb für den Erhalt und die Stärkung des Dualen Ausbildungssystems in Deutschland. „Die ganze Welt beneidet uns um dieses System – und hierzulande wird es mit Füßen getreten“, kritisierte er mit Blick auf die Ungleichbehandlung von schulischer und beruflicher Bildung in Politik und Gesellschaft.
Im Baugewerbe dominiert vor allem der Wohnungsbau. Doch auch die öffentliche Hand investiert wieder mehr, nicht zuletzt, um den Investitionsstau vergangener Jahre abzubauen. „Die gute Konjunktur im Baugewerbe hat leider auch ihre Schattenseiten“, sagte Frank Tischner. „Die Betriebe sehen sich einem zunehmenden Preisdruck und einer schlechten Zahlungsmoral ausgesetzt“, so der KH-Hauptgeschäftsführer. Trotz guter Konjunktur verbessere sich die Ertragslage der Betriebe unterproportional.
Die Unternehmen des Lebensmittelhandwerks haben mit ihrer Strategie der Konzentration auf Qualität, Regionalität, Transparenz und Tradition Erfolg. Andererseits bereiten überbordende Regulierungssysteme den Unternehmern der Branche Kopfzerbrechen. Bestes Beispiel dafür ist das unlängst verabschiedete Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz (KTG), dass meistergeführte Handwerksbetriebe auf eine Stufe mit fragwürdigen Kleinstbetrieben der Gastronomie auf eine Stufe stellt. Frank Tischner kündigte an, dass die Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf die Ausgestaltung des Gesetzes durch die zukünftige Landesregierung kritisch begleiten werde.
Deutliche Zuwächse vor allem im Reparatur- und Servicebereich verbucht das Kfz-Handwerk im Kreis Steinfurt. „Dagegen sind die Gewinnanteile beim Neuwagenverkauf weiter rückläufig“, sagte der KH-Hauptgeschäftsführer. So sorgten immer neue Hersteller-Auflagen für das Erscheinungsbild der Vertragshändler, eine neue Werkstatt-Technik und die Umstellung auf neue Verkaufskonzepte im Internet für einen entsprechenden Kostendruck in den Betrieben.
Deutliche Kritik übte Frank Tischner an Vorstößen der Politik, Fahrverbote für Dieselfahrzeuge auszusprechen, die nicht der EURO Norm 6 entsprechen. „Handwerksunternehmen nutzen ihre Fahrzeuge lediglich, um Material und Personal zu den Baustellen zu bringen. Die Bullis fahren einmal in die Stadt, stehen dort unter Umständen den ganzen Tag und fahren dann wieder zurück. Das ist etwas Grundsätzlich anderes, als wenn es um Taxis und dergleichen geht“, so Frank Tischner und forderte Ausnahmeregelungen für Handwerksbetriebe.
Sorgen bereitet der KH Steinfurt-Warendorf nach wie vor die Schwarzarbeit. Zwar stagniert die Schwarzarbeit aufgrund der guten Konjunktur und Beschäftigungslage, insgesamt aber schwäche die Schattenwirtschaft alle korrekt arbeitenden Unternehmen.
Beste berufliche Perspektiven finden junge Menschen nach wie vor im Handwerk. Dennoch ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse im vergangenen Jahr im Bereich der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf leicht rückläufig. Besonders betroffen sind die Berufsbilder Bäcker und Bäckerei-Fachverkäuferinnen, Dachdecker, Tischler und Anlagenmechaniker Sanitär, Heizung, Klima.
Im Februar startete die KH mit den Lokalradios in beiden Kreisen eine Initiative, um noch nicht besetzte Ausbildungsplätze im Handwerk zum Ausbildungsbeginn am 1. August zu vermitteln. Unter <link http: www.zukunftmithandwerk.de extern seite>www.zukunftmithandwerk.de können die Jugendlichen die von den Innungsbetrieben gemeldeten Lehrstellen finden.
Frank Tischner warnte davor, eine berufliche Laufbahn im Handwerk als Notnagel zu verstehen, falls die schulische Laufbahn nicht zum Erfolg führe. „Das Handwerk bietet tolle berufliche Perspektiven und Aufstiegsmöglichkeiten. Ich will nicht Plan B sein, ich will Plan A sein“, betonte er. In dem Zusammenhang unterstrich der KH-Hauptgeschäftsführer die Bedeutung der Dualen Ausbildung in Deutschland. „Die ganze Welt beneidet uns um dieses System – und hierzulande wird es mit Füßen getreten.“ Vor allem auf den Beitrag der Überbetrieblichen Unterweisungsmaßnahmen (ÜLU) im Handwerk zur schnellen Integration in eine Anschlussbeschäftigung nach der Ausbildung und damit zu einer der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeitsquote im internationalen Vergleich wurde verwiesen.
Um Innungsbetriebe auszuzeichnen, die gute Ausbildungsarbeit im Handwerk leisten und die überbetrieblichen Lehrgänge hierzu konsequent nutzen, hat die KH Steinfurt-Warendorf das Qualitätssiegel „TOP- Ausbildungsbetrieb“ entwickelt. Frank Tischner: „Wir wollen den Stellenwert der Dualen Ausbildung unterstreichen und ein Gleichgewicht herstellen zwischen beruflicher und schulischer Bildung.“