Die Aussichten sind gut für die jungen Männer, die derzeit an einem Pilot-Projekt der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf zur Qualifizierung von Flüchtlingen für den Arbeitsmarkt teilnehmen. Ein hoher Anteil der teilnehmenden Flüchtlinge hat gute Chancen, in diesem oder im kommenden Jahr eine Ausbildung aufzunehmen oder in ein anderes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wechseln. „Der Erfolg gibt unserem Konzept Recht“, zieht KH-Hauptgeschäftsführer Frank Tischner vor diesem Hintergrund ein selbstbewusstes Zwischenfazit des Pilot-Projektes. Bei einem Besuch von Regierungsvizepräsidentin Dorothee Feller und Kreisdirektor Dr. Martin Sommer forderte er nun, angesichts der aktuellen Herausforderungen bei der Qualifizierung von Migranten für den deutschen Arbeitsmarkt, bestehende Systeme zu nutzen und keine neuen Parallelstrukturen aufzubauen.
„Warum soll ein Netz an Sprachförderung aufgebaut werden, wenn es überall Berufskollegs gibt und wir als Kreishandwerkerschaft über ein Schulprojekt als Dualer Partner die praktische Qualifizierung in unseren Werkstätten vornehmen können?“ fragte er seine Gäste von der Bezirksregierung Münster und dem Kreis Steinfurt im BildungsCenter in Rheine. Frank Tischner unterstrich angesichts des hohen Zustroms an Flüchtlingen die Notwendigkeit, die Schulpflicht auf 25 Jahre zu erhöhen und durch die Einbindung von Praxisstationen in der Werkstatt zu ergänzen, um vorhandene Sprach- und Bildungsdefizite auszugleichen. „Die Effektivität wäre eine ganz andere, da sich die Berufskollegs und die handwerklichen Bildungscenter in NRW durch die Duale Ausbildung eng verzahnt haben und man eine weitaus größere Durchschlagskraft hätte, die dann überall einheitlich wirke“, argumentierte Frank Tischner.
Regierungsvizepräsidentin Dorothee Feller von der Bezirksregierung nahm den Vorschlag mit Interesse auf. „Die Integration der Flüchtlinge verlangt besondere Anstrengungen. Um diese Sondersituation, in der wir uns derzeit befinden, zu meistern, sollte man sich auch nicht besonderen Regelungen verschließen“, erklärte sie. Und auch Kreisdirektor Dr. Martin Sommer unterstützte die engere Zusammenarbeit zwischen den Berufskollegs im Kreis und der Kreishandwerkerschaft: „Der Kreis unterstützt dieses Modellprojekt mit kommunalen Mitteln, weil er von dessen Sinnhaftigkeit überzeugt ist und andere Finanzierungsmöglichkeiten bislang nicht bestehen.“ Er stellte aber auch klar, dass eine für sinnvoll erachtete Zusammenarbeit zwischen Kreishandwerkerschaft und Berufskolleg nicht dauerhaft mit kommunalen Mitteln unterstützt werden könne, sondern hierfür die entsprechenden Fördertöpfe von Land, Bund oder Bundesanstalt für Arbeit geöffnet werden müssten. „Der Wille und das Know How zur Integration durch Arbeit sind in der Region vorhanden und könnten erfolgreich umgesetzt werden. Jetzt geht es darum, die Förderinstrumente flexibler zu gestalten“, so der Kreisdirektor.
Rückschau: Seit einem Jahr besuchen 17 junge Männer aus Eritrea, Guinea, Afghanistan, Pakistan und Tadschikistan die „internationale Förderklasse“ der Technischen Schulen in Steinfurt. Aus dem zunächst ehrenamtlichen Engagement für die jungen Erwachsenen mit Deutschkursen und Werkstattunterricht entwickelte sich ein Berufsvorbereitungsprojekt der Technischen Schulen Steinfurt und der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf. Seit Beginn des Schuljahres 2015/16 erhalten die jungen Männer im Steinfurter Berufskolleg an drei Tagen die Woche Deutsch- und Mathematik-Unterricht. Zwei Tage jede Woche erlernen sie im BildungsCenter der KH in Rheine Grundfertigkeiten der Bautechnik, Holztechnik und Metalltechnik. Bis spätestens Juni sollen alle Teilnehmer in betriebliche Praktika vermittelt werden.
Insgesamt ziehen Kreishandwerkerschaft und Technische Schulen ein positives Fazit ihrer Zusammenarbeit. Im Projekt hat sich vor allem die enge Zusammenarbeit der Technischen Schule und der Kreishandwerkerschaft bewährt, betonten Schulleiter Thomas Dues und Frank Tischner. „Bei uns werden die Teilnehmer mit Einzelaufgaben aus dem HAMET2-Verfahren getestet. Außerdem wurden die jungen Männer einem Mathematiktest unterzogen“, sagte Frank Tischner. Dabei wurde festgestellt, dass zusätzlicher Mathematikunterricht dringend erforderlich sei. „Wir konnten schnell reagieren und weiteren Mathematikunterricht anbieten“, so Thomas Dues.
Insgesamt bedeute die Qualifizierungsmaßnahme für die jungen Männer eine große Herausforderung, unterstrich Jens Bökenfeld, zuständiger Koordinator und Betreuer der Flüchtlinge seitens der KH. Neben dem Spracherwerb müssten sich die Projekt-Teilnehmer mit einer für sie oftmals fremden Arbeitswelt vertraut machen. „Sie müssen zum Beispiel die landesüblichen Arbeitnehmerpflichten, wie die Abmeldung bei Krankheit oder Amtsterminen, verinnerlichen“, sagte Jens Bökenfeld. Seit Januar 2016 seien die qualitativen Anforderungen an die Männer erhöht worden, um das engagierte Ziel der Vermittlung in Ausbildung und Beschäftigung zu erreichen.