Will man nach Richards Bay in Südafrika, dann dauert es mit dem Auto 183 Stunden und auch mit dem Flugzeug ist man immerhin rund 18 Stunden unterwegs. Für den Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf (KH) Frank Tischner und Karin Münstermann, Leiterin von „Berufsbildung International“ bei der KH Service- und Wirtschafts GmbH, dauerte die Reise mehr als zwei Jahre. Die ersten Kontakte kamen über Godfrey Marange zustande, der mit einer Delegation die Ausbildungswerkstätten der KH besichtigte. Nach dem Rundgang wuchs bei der Delegation schnell der Wunsch, ein solches Bildungssystem auch in Südafrika zu implementieren. Die KH war aus Sicht der Südafrikaner hierfür genau der richtige Partner.
Nun ist das erste Etappenziel für die KH erreicht: Der Zuwendungsbescheid des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für eine dreijährige Berufsbildungspartnerschaft mit dem Umfolozi College in südafrikanischen Richards Bay liegt vor. „Unsere seit Jahrzehnten bewiesene Kompetenz in der Berufsbildungsarbeit bei jungen Menschen wie auch Erwachsenen, die erfolgreiche Umsetzung der dualen Ausbildung und unser Konzept, dieses Knowhow nach Südafrika zu transferieren, haben überzeugt“, freut sich Frank Tischner, der aber natürlich auch weiß, dass die Arbeit für die Kreishandwerkerschaft und dem vor Ort tätigen Langzeitexperten nun erst los geht.
29 Berufsbildungspartnerschaften unterhält das Bundesministerium zurzeit, die von der Entwicklungsgesellschaft der deutschen Wirtschaft „sequa“ umgesetzt werden. Nur wenige erhielten in diesem Jahr die Bewilligung, einer dieser neuen Partner ist die Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf. Die Zusammenarbeit von deutschen Wirtschaftsverbänden und deren Berufsbildungsstätten mit ähnlichen Einrichtungen in dem jeweiligen Entwicklungs- oder Schwellenland soll dort zu einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung und zur Reduzierung von Arbeitslosigkeit und Armut führen.
Der neue Partner der KH, das Umfolozi College, befindet sich in der rund 60.000 Einwohner großen Stadt Richards Bay in der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal, direkt am Indischen Ozean gelegen. „Unser Hauptziel dieser Berufsbildungspartnerschaft ist es, die Situation des unternehmerischen Mittelstandes und das System der beruflichen Bildung in der Provinz zu verbessern“, erklärt der KH-Hauptgeschäftsführer, der im Rahmen der Prüfmission des BMZ selbst schon die Akteure vor Ort kennenlernen konnte. Neben dem Langzeitexperten werden im Laufe des Projektes zeitweise auch sogenannte Kurzzeitexperten in Südafrika eingesetzt. Auf der anderen Seite werden Mitarbeiter des Colleges für Schulungen in die BildungsCenter der Kreishandwerkerschaft kommen. Karin Münstermann konkretisiert die weiteren Aufgaben der Partnerschaft: „In dem Projekt werden die im College durchgeführten Aus- und Weiterbildungslehrgänge weiterentwickelt, vor allem im Bau- und Ausbausektor. Dabei soll es primär darum gehen, die Lehrgänge bedarfs- und praxisorientierter zu gestalten. Dazu gehört, dass auch die Zusammenarbeit mit dem südafrikanischen Privatsektor intensiviert wird.“ „Als Unternehmensverband mit rund 2.500 angeschlossenen Innungsunternehmen aus dem Handwerk kann die Kreishandwerkerschaft hier viel Erfahrung mit einbringen“, ergänzt Frank Tischner.
Für die Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf heißt das Ziel nun ab dem 1. November zunächst für drei Jahre und nach Analyse der erreichten Ziele durch das BMZ vielleicht auch für drei weitere Jahre „Zukunftsorientierte Berufsbildung im Münsterland wie auch in der Provinz KwaZulu-Natal“. „Wir werden unsere Aufgaben in der Zukunft neu ausrichten, ohne dabei die wichtigen Schwerpunkte unserer regionalen Ansätze aus den Augen zu verlieren. Dieser Spagat wird sehr spannend sein, aber ich bin mir sicher, dass Innungsbetriebe, Mitarbeiter und Netzwerkpartner von solchen Ansätzen profitieren werden“, so Hauptgeschäftsführer Frank Tischner. „Unser internationales Engagement kann schließlich den Stellenwert, den das Handwerk und die Kreishandwerkerschaft für die Berufsbildung haben, in ein anderes, globaleres Licht rücken und mehr Wertschätzung für die ‚Wirtschaftsmacht. Von nebenan.‘ im eigenen Land bewirken.“