„Ich kann nicht verstehen, warum der Bundeskanzler über eine neue industriepolitische Agenda spricht und dabei das Handwerk außer Acht lässt. Und wenn man sich dann noch die Rede angehört hat, muss man sagen, dass Leidenschaft und Aufbruchstimmung komplett auf der Strecke bleiben“, bedauert Tischner. „Mit einem verengten Blick auf die Industrie wird die Politik die Wachstumskrise nicht überwinden.“
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Handwerk und Mittelstand stehen für über 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland. „Mit 5,6 Millionen Beschäftigten und 766 Milliarden Euro Umsatz ist das Handwerk Rückgrat von Wirtschaft und Gesellschaft und stabilisiert nicht nur die Konjunktur, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wirtschaftspolitik für Handwerk und Mittelstand ist gelebte Demokratiebewahrung“, ist Tischner überzeugt. „Schlagworte wie ‚neue industriepolitische Agenda‘ verkennen vollends die Bedeutung von Handwerk und Mittelstand für wirtschaftliche Stabilität oder die Beschäftigungssicherung gerade auch in ländlichen und strukturschwächeren Gebieten. Auch das Handwerk ist Wirtschaft“, stellt Tischner heraus und verweist darauf, dass in den oftmals familiengeführten Unternehmen eben nicht kurzfristige Renditeziele, sondern vielmehr langfristige Stabilität im Mittelpunkt ständen. Dazu gehöre auch, die Mitarbeiter nicht nur als Kostenfaktoren zu sehen. „Das Bild der Betriebsfamilie ist im Handwerk vielerorts Realität.“
Statt wahllos Gelder als Investitionsanreize zu verteilen, fordert Tischner, die realen Probleme des Standorts Deutschland anzugehen. „Zu hohe Lohnzusatzkosten und Steuern, überbordende Bürokratie und eine fehlende Wertschätzung für die „Duale Ausbildung“ belasten nicht nur das Handwerk. Kleine Korrekturen reichen nicht. Es ist Zeit für eine echte Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik.
Dazu gehört nach Tischners Überzeugung auch die Abschaffung von Doppelstrukturen: „Viele Stellen machen das gleiche – völlig unabgestimmt. Das sorgt bei unseren Betrieben für Frustration und einen hohen Aufwand.“ Dass eine solche Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik flankiert werden müsse durch Investitionen in die vielerorts marode Infrastruktur: „Auch Schlaglöcher in den Straßen, marode Brückenbauwerke und ständig verspätete Züge untergraben das Vertrauen der Menschen in die Fähigkeit der Politik, die Probleme des Landes zielgerichtet anzugehen. Diese marode Infrastruktur ist ein Spiegelbild der aktuellen Regierungs- und Wirtschaftspolitik im Bund“, so Tischner.